In einem beeindruckenden Rennen gewinnt das RYE XP-Team die 49. Auflage von Trondheim-Oslo und zeichnet sich dabei besonders durch die enorme Mannschaftsstärke aus. Aber eins nach dem anderen:
Rennbeginn um 4:50 Uhr
Am Samstag Morgen begann der Renntag für die norwegische Mann
schaft um 4:50 Uhr mit dem Start in Trondheim. Durch eine kleine Streckenänderung verlängerte sich der Kurs in diesem Jahr auf 550 km, inklusive knapp 3.400 HM, die es zu überwinden galt. Das aus Oslo stammende RYE XP-Team konnte die große Kraftprobe ("Styrkeproven") seit der Jahrtausendwende bereits 9x gewinnen, musste sich aber 2013 und 2014 jeweils dem Team ATEA geschlagen geben. Vor zwei Jahren lag der Abstand bei 17:33min, vergrößerte sich allerdings 2014 schon auf deutliche 36:23min. Dadurch war das Ziel für die diesjährige Ausgabe klar: auf Sieg fahren (zum Vorbericht)!
Dass bei diesem Vorhaben wieder das Team ATEA der größte Konkurrent sein würde, ist bereits in den Vorbereitungswettkämpfen deutlich geworden und bestätigte sich auch schon direkt zu Rennbeginn. Bei der ersten offiziellen Zeitmessung nach 198 km in Dombas lag die RYE XP-Mannschaft um Axel Fehlau und Anders Asberg mit 2:32 min in Rückstand. Grund zur Hoffnung gab an dieser Zeitmessung aber bereits, dass das Team bis dato bedeuten schneller unterwegs war als im Vorjahr und der Abstand zu ATEA auf Schlagdistanz gehalten werden konnte.
Die Besonderheit Trondheim-Oslo
Das jährliche Mannschaftszeitfahren von Trondheim nach Oslo ist speziell und besonders, nicht nur aufgrund
des weniger schönen norwegischen Wetters. Rein physiologisch liegt die Herausforderung auch nicht bei der Überwindung der Distanz oder der zahlreichen Höhenmetern. Die größte Hürde stellt die Geschwindigkeit dar!
In den Sphären vom Team ATEA und dem RYE XP-Team sprechen wir von einer Zielzeit zwischen 13 und 14 Stunden für 550km. Es wird also mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 40-42 km/h gefahren. An langgezogenen Anstiegen, z.B. hoch zur Zeitmessung in Dombas, teilweise auch "nur" mit 35 km/h. Dafür in leicht abfallendem Terrain aber auch gerne mit über 50 km/h über den Zeitraum von einer Stunde.
Gefahren wird dabei im "Rulle" - einer speziellen Form des Windschatten-Fahrens. Das Team wird dabei aufgeteilt in zwei Gruppen, in der vorderen zumeist mit 16-18 Fahrern und den verbleibenden Fahrern in der hinteren Gruppe. In der vorderen Gruppe wird dabei in einer Zweier-Reihe gekreiselt, die Richtung des Kreiselns wird in Abhängigkeit der Windrichtung gestaltet.
Für den einzelnen Fahrer bedeutet das, dass er das Tempo im Wind für ca. 2-3 min hochhalten muss, bevor er sich dann im Windschatten für ca. 8-10min "ausruhen" kann - bei 42 km/h versteht sich.
Die Belastungen sind also alles andere als gleichmäßig, sondern über die gesamten 550km aufgeteilt in hoch-intensive Belastungen teilweise jenseits der 400W und den Windschatten-Phasen, die sich immer noch oberhalb der 200W abspielen (siehe auch SRM-Datei).
Physiologische Fakten: Anders Asberg brauchte für die Strecke eine durchsch
nittliche Leistung von 223W bei 80kg Körpergewicht (~2,8 W/kg). Die wechselnde Belastung wird bei der Tatsache deutlich, dass er mehr als 4 Stunden oberhalb von 270W, sogar 45min oberhalb von 370W fuhr. Dafür brauchte er 11.000 kcal an Energie, die er selbstverständlich zu großen Teilen wieder zuführen musste, um die Leistung aufrecht erhalten zu können. Aber das haben wir ja im letzten Jahr beim RAAM ausreichend geübt...
Gerade durch diese technisch-taktischen Anforderungen, die für das hohe Tempo über die komplette Distanz erforderlich sind, ist es von hoher Bedeutung einen leistungsstarken und möglichst homogenen 30-köpfigen Kader zu haben. Die Energetik des Rennens ist speziell - nicht nur, dass der Energieverbrauch hoch ist, anders als zum Beispiel beim RAAM entsteht er durch viele hoch-intensive Belastungen, die eine hohe Kohlenhydrat-Zufuhr erfordern. In der Summe sind dies alles Aspekte, die in der Vorbereitung bedacht werden müssen, um möglichst wenige Fehler im Rennens zu machen.
Die Aufholjagd
Die Mannschaftsstärke von ATEA hatte sich in Dombas bereits auf 17 Fah
rer reduziert, wohingegen sich RYE XP mit 27 Fahrern in das leichte Gefälle begeben konnte. In den Vorjahren konnte das Team die Zeitmessung in Dombas nie mit dieser fast vollständigen Anzahl erreichen. Ein entscheidender Vorteil, da sie dadurch das einstudierte Rulle-Fahren voll ausschöpfen konnten und den Rückstand so kontinuierlich verkleinern konnten.
Nach 358km in Lillehammer lag ATEA nur noch mit 1:24min vorne, knapp 50km weiter in Gjovik (404km) war der Abstand bereits auf unter eine Minute gesunken. Die kommenden Kilometer des Rennens waren entscheidend: Da sich ATEA mittlerweile auf 10 Fahrer reduziert hatte und erst der 10te Fahrer des Teams gewertet wird, durfte kein Fahrer mehr verloren gehen. Die Konsequenz: RYE XP, weiterhin mit 18 Fahrern unterwegs, fuhr an der Zeitmessung in Eidsvoll bei Kilometer 476 einen Vorsprung von 7:28min raus, der bis nach Olasvsgaard (520km) auf ähnlichen Niveau gehalten werden konnte.
Sieg bei Trondheim-Oslo und ein kleiner Wehrmutstropfen
Die norwegische RYE-Mannschaft erreichte das Ziel in Oslo nach 13:4
9:17h und war damit 3:19min schneller als ATEA - Sieg bei Trondheim-Oslo! Ein perfektes, fast fehlerloses Rennen!
Gerade durch eine hervorragende Mannschaftsleistung konnten sich Anders Asberg, Axel Fehlau und Co. nach zuletzt zwei 2. Plätzen wieder den Sieg beim wichtigsten norwegischen Radrennen sichern. "Ich denke, dass das Training in der Vorbereitung perfekt war. Wir hatten noch nie ein so starkes, vor allem aber gleichstarkes Team" so Team-Kapitän Asberg.
Wir gratulieren dem RYE XP-Team natürlich herzlich und freuen uns sehr, dass wir nach dem besonderen Erfolg beim Race Across America im letzten Jahr (Sieg & Rekord im 2er-Team) auch in diesem Jahr wieder ein einzigartiges Ultra-Rennen gewinnen konnten!
Die spannende Vorbereitung des Teams, besonders auch die hohen physiologischen Ansprüche und die hohe Intensität des Rennens haben unsere ganze Expertise gefordert. Wir freuen uns, dass uns das Team das Vertrauen geschenkt hat und wir sie auf dem Weg zum Sieg begleiten durften! Danke, RYE XP!
Ein kleiner Wehrmutstropfen bleibt: Anders berichtete uns im Nachgang von einem beeindruckenden Manöver, von dem er sich "wünschte, ein Video für diesen Artikel zu haben". Axel schaffte es unter höchsten technisch-taktischen Anforderungen während der Fahrt bei 40 km/h seine Blase zu erleichtern. Logischerweise bleibt bei einem Rennen, bei dem es um wenige Minuten geht, keine Zeit zum Anhalten. Daher muss man entweder abreißen lassen und stehen bleiben, oder man ist in der Lage während der Fahrt "müssen zu müssen" - bei vollem Tempo natürlich.